„Ich glaube an das Bild"
János Wagners Kunst, Metaphern der Landschaft
2010., Signale
János Wagner wurde 1936 in Budapest geboren. Nach der Matura im Gymnasium für bildende Kunst war er Student der Kunstakademie. 2004 wurde János Wagner mit dem Munkácsy-Preis ausgezeichnet, von 1995 - 2005 war er Vorsitzender der VUdAK-Künstlersektion. Anläßlich seines 75. Geburtstags wird vom 8. - 30. September 2011 in der Galerie Csepel eine große Ausstellung mit Werken des Künstlers zu sehen sein. Über seine Kunst, über Reiseerlebnisse und Identität lesen Sie im folgenden unser Signale-Interview.
– Lieber Herr Wagner, wie würden Sie Ihre Ars poetica formulieren?
1991 hatte ich im Französischen Institut in Budapest eine Ausstellung, wo die Organisatoren von mir eine Art Ars poetica verlangten. Der Mensch wird von Eindrücken geformt, meine Werke sind ein Nachspiel der Prozesse in der Natur, natürliche Bewegungen, entstehende Formen. Eine abstrakte Malerei, geprägt durch Erlebnisse in der Natur. Mein Gemälde „Hellas" beispielsweise ist von Erlebnissen am Meer geprägt, der Tiefe des Meeres, Schaumstreifen. Meine Werke sind Metaphern der Landschaft. Und wenn Sie nun fragen würden, was in meiner Kunst deutsch ist, würde ich als Parallele solch große Maler wie beispielsweise David Caspar Friedrich nennen, oder andere deutsche Romantiker, bei denen ja auch ein Mitfühlen der Natur spürbar und sichtlich ist.
– Wie sind Sie mit der Kunst in Berührung gekommen?
Mein Vater war Banater Schwabe, 1923 flüchtete er nach der rumänischen Besetzung nach Budapest. Er selbst war Kunstmaler, er hat an der Hochschule für Kunst studiert. Doch die Familie hatte drei Kinder, so war er gezwungen, statt dem Malen einen anderen Beruf, den Lehrerberuf, zu wählen. Bis zu seinem Lebensende hat er unterrichtet. Jahrelang habe ich mit seinen Pinseln, Farben gemalt. Bei einer Ausstellung in der Provinz war ein ehemaliger Kommilitone meines Vaters aus Sankt-Andrä zu mir hingekommen und hat mir gesagt, daß ich meinem Vater ganz ähnlich sehe. Mein Vater hat mich unterstützt, doch ich wollte nicht Maler werden, eher hat mich der Arztberuf angezogen. Aber ich kann kein Blut sehen. In der 8. Grundschulklasse war es dann schon gewiß, daß ich Maler werde.
– Seit wann malen Sie diese abstrakten Naturprozesse?
Meine Ausbildung war der klassische Weg: Gymnasium und Hochschule für Kunst, damals hatten wir eine starke naturhafte Ausbildung (Sozreal). Ein großer Wandel bei mir war, als meine Tochter mit Zwanzig gestorben ist. Damals wurde mir die Vergänglichkeit bewußt und ich habe angefangen, nach etwas „Tieferem" zu suchen. Damals habe ich mit Materialuntersuchungen begonnen, mit Sand, Ruß, Marmorpulver, Teerpappe habe ich gearbeitet, habe Pflanzen/teile in die Werke eingebaut. Ich mag diese reine, abgeklärte Welt. Aber auch figurale Arbeiten hatte ich, meine Tochter, meine Mutter, meinen Vater, meine kleine Welt habe ich porträtiert. Vor allem Kircheninnere haben mich mit ihren Fresken fasziniert.
– Sie haben auch lange Zeit unterrichtet, hatten Sie Spaß daran?
Ich habe in unterschiedlichsten Schulen Kunst unterrichtet: in der Grundschule, Schaufensterdesigner, Kindergärtnerinnen, und zehn Jahre lang in der Fachmittelschule für Kunst. Es ist immer genußvoll und interessant, mit talentierten Schülern zu arbeiten. Dadurch habe ich den Nachwuchs in der bildenden Kunst gekannt und war auch durch meine Schüler in die Kunstszene integriert. Seit zehn Jahren bin ich nun Rentner, und diese Zeit fehlt mir ein bißchen. Man ist jetzt etwas separiert vom Geschehen in der Kunstwelt.
– Sie sind ein großer Reisender, welche Erfahrungen erweitern dann die Weltsicht eines Künstlers?
Der Osten hat mich schon immer fasziniert. 1970 habe ich durch ein Stipendium zwei Monate in Vietnam verbracht. Damals herrschte Kriegszustand, es war grauenhaft, das Elend zu sehen. In Peking mußte ich umsteigen, und damals hatte ich die Gelegenheit. Peking zu besichtigen. Gefallen haben mir sehr die Riesenflächen. Die Landschaft ist wunderschön, Reisfelder, die Wasserflächen der Seen, es war ein unvergeßliches Erlebnis. Auch die Höflichkeit der Leute war beispielhaft. 1988 habe ich ein Stipendium nach Georgien bekommen, da hatte ich das Erlebnis, an einer prawoslawischen Hochzeit teilnehmen zu können, wo das Brautpaar gekrönt wird. Die Bergkirchen des Kaukasus haben mich fasziniert. Zweimal war ich in Indien, wo ich auch pompöse Kirchen und ein reges gelebtes religiöses Leben sah (auch in der Nacht). Phantastisch ist es auch, in Rom zu wohnen. Marokko und Tunis waren auch prägende Erfahrungen. Und schon seit meiner Kindheit hat mich Japan angezogen. Die ehemalige Sowjetunion bzw. Rußland waren auch durch meine literarischen Erlebnisse - Tschechow, Dostojewski, Tolstoi - interessant.
– Und welche Erlebnisse hatten Sie in Deutschland und mit VUdAK?
Berlin habe ich noch vor dem Bau der Mauer erlebt. Nach der Wiedervereinigung ist Berlin zu einer faszinierend vielfältigen und vielseitigen Metropole geworden. Auch durch VUdAK-Ausstellungen war ich oft in Deutschland, in der Umgebung von Esslingen hatten wir eine Wanderausstellung organisiert, auch mit der Esslingener KünstlerGilde pflegten wir regen Kontakt. Adam Misch, der erste Vorsitzende der VUdAK-Künstlersektion, war eine herausragende Persönlichkeit. Als Maler kannten wir uns, ich habe seine Nachfolge auch deswegen angenommen, damit seine Arbeit nicht verlorengeht. Wir haben renommierte Ausstellungsorte organisiert - Galerie Redoute in Budapest, Lenau-Haus in Fünfkirchen usw. Adam Misch war auch Sammler, wir haben uns oft gegenseitig unsere neuesten Erwerbungen gezeigt. Josef Bartl habe ich noch vor meiner VUdAK-Mitgliedschaft kennengelernt, die Bekanntschaft beruhte auf der Sympathie nach der gleichen Abstammung. Das Deutsche ist nach `45 in Vergessenheit geraten, auch aus meinem Verwandtenkreis wurden Personen nach Deutschland verschleppt. Man hat darüber eher geschwiegen.
– Sie sind auch ein leidenschaftlicher Sammler, was sammeln Sie?
Ich muß dazu sagen, daß auch schon meine Großmutter gesammelt hat, ich habe noch vieles aus ihrer Sammlung. Volksreligiöse Gegenstände, Skulpturen, jedoch ist bei mir Volksreligiosität nicht auf eine Religion beschränkt: östliche Religionen sowie die orthodoxe Kirche sind in meiner Sammlung auch vertreten. Auch Teppiche sammle ich, sie sind für mich wie ein Blumengarten. Doch Sammeln ist eine Sucht, wenn man etwas nicht erwerben kann, bereut man es ein Leben lang.
– Wie sehen Sie die neuesten Entwicklungen in der Kunst?
Ich glaube an das Bild, diese mehr als tausendjährige Fläche. Die Jugend begeistert sich für die Mode. Doch im Kunstschaffen ist es eine Qual, einen Gedanken zu verfolgen. Früher hat mich zeitgenössische Kunst gestört, sie mischte sich in meine Welt ein. Heute sehe ich das anders, ich sammle auch zeitgenössische Werke.
(Angela Korb)
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